Betongold oder leistbares Wohnen?

von Mag. Lukas Tockner, Kommunalpolitisches Referat der AK Wien

Der britische Ökonom Josh Ryan-Collins war auf Einladung des Instituts für Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik und der Arbeiterkammer zu Gast in Wien. Vor vollem Haus präsentierte er seine Forschungsergebnisse zur Funktionsweise von Boden- und Wohnungsmärkten sowie deren Interaktion mit deregulierten Bankensystemen, insbesondere jenem in Großbritannien. Anschließend kommentierten hiesige Expertinnen und Experten die Ausführungen von Professor Ryan-Collins und stellten Bezüge zur aktuellen Situation in Wien her.

London ist bekanntlich eine der teuersten Städte der Welt. Auf der Veranstaltung wurde berichtet, dass die Kaufpreise für Wohnimmobilien in der britischen Hauptstadt im Schnitt bei rund 12.400 Euro pro Quadratmeter liegen. Die Wohnungsmieten im privaten Segment betragen durchschnittlich etwa 1.800 Euro pro Monat. Diese Zahl gilt wohlgemerkt für den gesamten Bestand und nicht nur für neue Mietverträge. Das ist der Fall, weil private Mietverträge in Großbritannien üblicherweise lediglich über eine Dauer von sechs bis zwölf Monaten (!) abgeschlossen werden.

Wien ist dem gegenüber bekanntlich eine der Welthauptstädte des sozialen Wohnbaus. Diese Tatsache sowie die Schutzwirkungen des Mietrechtsgesetzes bei älteren, unbefristeten Verträgen führen dazu, dass die durchschnittlichen Bruttomieten im privaten Bestand bei vergleichsweise günstigen 650 Euro monatlich liegen. In einer sozialen Mietwohnung – bei der Gemeinde Wien oder einer gemeinnützigen Bauvereinigung – ist die Durchschnittsmiete noch spürbar niedriger. Sie beträgt im Schnitt rund 450 Euro im Monat.

Bezüglich der Ursachen dieser markanten Preisunterschiede ist ein Blick auf die Struktur der Wohnversorgung in den beiden Städten aufschlussreich. Den größten Anteil an den Hauptwohnsitzen in London hat das Eigentumssegment. Beinahe die Hälfte der Haushalte in der britischen Hauptstadt – exakt sind es 48 Prozent – besitzt ihren Hauptwohnsitz. In Wien haben dem gegenüber soziale Mietwohnungen den größten Anteil an der Wohnversorgung. Rund 43 Prozent der Wiener Haushalte mieten bei der Gemeinde oder einer gemeinnützigen Bauvereinigung.[1]

Wohnungen, die im Schnitt um 450 Euro pro Monat angemietet werden können, wirken auf einem städtischen Wohnungsmarkt insgesamt stabilisierend. Von Wohnungen, welche im Schnitt um 12.400 Euro pro Quadratmeter erworben werden können, ist allerdings nicht zu erwarten, dass sie das sozialräumliche Gefüge in einer Stadt stabilisieren. Im Lichte der Erfahrung kann deshalb der „Sündenfall“ in der britischen Wohnungspolitik einfach identifiziert werden. Zu Beginn der 1980er Jahre wurden einerseits die öffentlichen Bauprogramme eingestellt. Die korrespondierenden Objektförderungen wurden in Beihilfen und Steuerbegünstigungen umgeschichtet. Zudem wurden andererseits auch öffentliche Wohnungsbestände in großem Maßstab privatisiert.

Diese politischen Richtungsentscheidungen setzten in Großbritannien einen Kreislauf in Gang, den Professor Ryan-Collins eindrucksvoll dargelegt hat. Eine unzureichende Wohnbauleistung bedingt überproportionale Steigerungen der Immobilienpreise; wohnungssuchende Haushalte benötigen und bekommen höhere Kredite, wodurch sich auch die Bankbilanzen verlängern; die steigende Privatverschuldung wird durch steuerliche Maßnahmen zudem öffentlich gefördert; aufgrund fehlender, öffentlicher Objektförderungen bleibt die Bauleistung unzureichend, was weitere, überproportionale Preissteigerungen bedingt und so weiter und so fort.

Ökonomisch betrachtet werden in diesem Prozess die Bodenpreise so lange hinauflizitiert, bis eine nennenswerte Zahl der verschuldeten Haushalte ihre Hypothek nicht mehr bedienen kann. Zu diesem Zeitpunkt stellt sich schließlich auch heraus, dass die Kreditvergaben der Banken auf Scheinsicherheiten beruhten.

Abschließend ist noch einmal explizit festzuhalten, dass die Probleme auf dem Londoner Wohnungsmarkt gravierend sind. In der nahen Zukunft ist auch nicht absehbar, wie diese Misere behoben werden könnte.

In Wien hat sich die Lage am Wohnungsmarkt in der letzten Dekade bekanntlich ebenfalls deutlich zugespitzt. Bodenpreise, Wohnungspreise und private Neuvertragsmieten sind deutlich überproportional gestiegen. Aber in Wien geben die Stadtpolitik und geänderte Umstände Anlass für vorsichtigen Optimismus: Einerseits werden die Wohnbauoffensive des Wohnfonds Wien und die neue Widmungskategorie zukünftig mehr geförderte Wohnungen ermöglichen. Andererseits ist das Bevölkerungswachstum in der österreichischen Hauptstadt nach dem Jahr 2017 spürbar zurückgegangen.


[1] Zusätzlich gibt es noch geförderte und damit befristet preisbegrenzte Mietwohnungen im privaten Segment – sowohl im Neubau wie auch in der Sanierung. In allgemein zugänglichen Datensätzen wie dem Mikrozensus ist allerdings keine Information über deren Anzahl enthalten.

Bildnachweis: vwbf und Shutterstock.

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