EIN “GREEN NEW DEAL” FÜR DIE WOHNUNGSWIRTSCHAFT 


  1. Einleitung

Laut Regierungsprogramm soll Österreich bis 2040 klimaneutral sein. Mit 7,9 Mio. Tonnen CO2 liegt der Wohngebäudesektor an der 3. Stelle der Treibhausgasemittenten. Ihm kommt daher bei der Erreichung des Nettonullemissionsziels 2040 eine wesentliche Bedeutung zu. 

Das größte Potential zur Reduktion der CO2-Emissionen liegt im Gebäudesektor nicht in der thermischen Sanierung, sondern vorrangig in der Dekarbonisierung bzw. Umstieg von fossilen auf erneuerbaren Energieträgern. Während in der thermischen Sanierung des Wohngebäudesektors (Bestand bis 1980) in den letzten Jahren nachhaltig Fortschritte erzielt wurden, besteht bei der Heizungserneuerung noch großer Nachholbedarf. Aktuell verfügen rd. 1,75 Mio. Haushalte über eine fossile Heizung, davon sind rd. 610.000 Ölheizungen und 920.000 Gasheizungen (Rest: E-Heizungen). 

Anzusetzen gilt es hier insbesondere bei den Eigenheimen und im privaten Geschoßwohnbau. Alleine die Einfamilienhäuser sind zu zwei Drittel für die CO2-Emissionen aus fossilen Energieträgern verantwortlich.

Der gemeinnützige Wohnungsbestand weist demgegenüber nicht nur die höchste Quote an thermisch sanierten Wohnungen (rd. 95% der Baujahre bis 1980) auf, sondern kann auch auf den größten Fortschritt im Ersatz von fossilen Energieträgern verweisen. Aktuell sind rd. 68% der Wohnungen (400.000) im GBV-Sektor bereits an die Fernwärme oder an ein erneuerbares Energiesystem angeschlossen. Gas-Heizungen sind nur noch in 18% der Haushalte (110.000) zu finden, Öl-Heizungen nur mehr in 3% (15.000), 6% (30.000) der Haushalte heizen noch mit Strom.   

Im Neubau sind die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen Vorreiter beim Einsatz neuer Technologien in der Gebäude- und Heizungstechnik. Sie errichten Wohnhausanlagen auf Niedrigstenergieniveau mit Fernwärmeanschlüssen, immer stärkerem Einsatz von Wärmepumpen, aber auch Gasheizungen im Falle mangelnder Verfügbarkeit von erneuerbaren Energieträgern. 

In der gemeinnützigen Wohnbaubranche gibt es daher vergleichsweise nur mehr geringes Einsparungspotential durch Heizungsumrüstungen bzw. den Einsatz  erneuerbare Energiequellen. Ungeachtet dessen hat der gemeinnützige Wohnbausektor mit Blickrichtung der angepeilten Klimaneutralität bis 2040 eine große Herausforderung vor sich: die Umstellung seiner über 100.000 – überwiegend aus Einzelthermen – bestehenden Gasheizungen. Bei den noch bestehenden Ölheizungen kommt es aufgrund der Erneuerungszyklen zu einem „natürlichen“ Auslaufen. 

Gerade beim „Raus aus Gas“ kann der GBV-Sektor einen wirksamen Beitrag leisten. Verfügen doch einige seiner Unternehmen in diesem Bereich über innovatives Know-how und haben Technologieführerschaft im „Umstieg in den Ausstieg“ aus den Gasetagenheizungen entwickelt. So steht etwa mit der Zentralisierung der Einzelgasthermen („Gemeinschaftsthermen) eine erprobte und nunmehr auch in Ausrollung befindliche – für die BewohnerInnen kostenneutrale – „Brückentechnologie“ zum „Einstieg in den Umstieg“ zur breiten Anwendung zur Verfügung. Damit ist der Grundstein für einen möglichen künftigen Anschluss an die Fernwärme, Wärmepumpen und andere erneuerbare Energiequellen gelegt.

Auch im Neubausektor ist der gemeinnützige Wohnbausektor Innovationsvorreiter im Bereich der Bautechnologie, Niedrigstenergieprojekten und der Entwicklung von klimafitten Stadtentwicklungsarealen.

  • Die Entwicklung im Wohn-Gebäudesektor seit 1990 – zusammenfassende Betrachtung

Der Wohn-Gebäude-Sektor in Österreich sticht bezüglich der Treibhausgasemissionen im Vergleich zu anderen Sektoren positiv hervor. Hier haben sich die Emissionen seit dem Jahr 1990 trotz eines starken Zuwachses an Haushalten um beinahe 40% reduziert – von 10,5 Mio. Tonnen auf 6,5 Mio. Tonnen 2019/2020[i].  Damit beträgt der Anteil der von privaten Haushalten für Heizen, Warmwassererzeugung und sonstige Zwecke in Gebäuden verursachten Treibhausgasemissionen 8,4 Prozent an den Gesamtemissionen in Österreich. Gegenüber dem Referenzjahr 2005 – dem Einsetzen des Emissionshandels und damit dem Beginn einer „neuen Zeitrechnung“  –  macht die Reduktion etwa 35 Prozent aus. Diese Größen sind im Auge zu behalten v.a. im Hinblick auf die Ziele einer 80-100% Reduktion bis zum Jahr 2050, wie sie von der Europäischen Union vorgegeben werden.

Es ist allerdings wesentlich festzuhalten, dass Emissionsabbau in der Vergangenheit nicht linear verlaufen ist, sondern seit einigen Jahren deutliche Stagnationstendenzen aufweist, deren Ursachen genau zur Entwicklung einer entsprechenden Strategie zu identifizieren sind. 

  • Details zur Entwicklung in den vergangenen Jahrzehnten

In den letzten 30 Jahren wurden – nach Analyse der Daten den Umweltbundesamtes bzw. der Statistik Austria – rd. 1,5 Mio. Wohnungen thermisch saniert (durch Fassadendämmung, meist in Kombination mit Fenstererneuerung)[ii]; aus eigenen Modellrechnungen lässt sich daraus ableiten, dass etwa 60 – 75 Prozent des zwischen 1919 und 1980 errichteten Wohnungsbestandes damit thermisch saniert sind (Einfamilienhäuser zu 60%, Geschoßbau incl GBV zu 75%, GBV 98%; Gründerzeitbauten errichtet vor 1919 nicht berücksichtigt – dort ist Sanierungszustand mit rd. 25% thermisch sanierten Wohnungen schlechter). 

Im selben Zeitraum erfolgte für rd. 600.000 Wohnungen eine Umstellung von fossilen auf (teil-) erneuerbare Brennstoffe, wobei der Anschluss an eine Fernwärmeversorgung die größte Rolle spielte[iii]. Dabei kommt dem Geschoßbau der Löwenanteil mit 500.000 umgestellten Wohnungen zu. 

Für den Wohnungsneubau wurden die Vorgaben die thermische Qualität belangend seit den 1990er Jahren laufend angehoben, die letzten Jahre waren geprägt u.a. von der Diskussion der verpflichtenden Passivhausqualität. Der (erwartete) Energieverbrauch wurde für den Geschoßbau von etwa 130kWh/m2 im Schnitt des damaligen Bestandes auf etwa 50kWh um das Jahr 2010 und zuletzt rd. 30kWh festgelegt – und zwar durch OIB/Bauordnungen, die Förderungsanforderungen waren bis zuletzt noch strenger angesetzt. Bei Eigenheimen lagen spezifischer (flächenbezogener) Durchschnittsverbrauch bzw. Anforderungen in etwa um 50 – 70 Prozent höher.

Die Anforderungen an die Heizsysteme waren weniger streng, es wurde eher auf Anreizsysteme gesetzt als verpflichtende Vorgaben. 

Bei Betrachtung der Effekte des Sanierungs- und Umrüstungsgeschehens bzw. der gezeigten Qualitäten im Neubau zeigt sich allerdings, dass diese Effekte nicht ganz den Erwartungen entsprechen: 

Quellen: Statistik Austria Nutzenergieanalyse, eigene Berechnungen

  • die Verbesserung der thermischen Qualität hat wenig zum Abbau der Emissionen beigetragen, von wesentlicherer Bedeutung war der Temperaturanstieg in den Wintermonaten sowie der Ersatz der fossilen Energieträger. 

Diese Erkenntnis ist angesichts der hohen Zahl an sanierten Wohnungen, dem Wohnungsabgang in alten Beständen sowie den hohen Anforderungen im Neubau eigentlich entmutigend, bedeutet sie doch, dass die thermischen Verbesserungen der Gebäudequalität eher zu Komforterhöhungen denn zu Energieeinsparungen geführt haben. Rebound- und Preboundeffekte sind zwar bekannt und nachweisbar, dass sie aber die Erhöhung der thermischen Qualität zu 100% kompensieren, ist doch verwunderlich und widerspricht anderen Beobachtungen.[iv] Als Erklärungsansatz bleiben Unschärfen in Daten und Zurechnungsmethode[v].

  • Darüber hinaus ist ein weiterer Aspekt wesentlich: Seit etwa dem Jahr 2013 hat sich der spezifische Emissionsabbau (Emissionen pro Kilowattstunde) gegenüber Vorperioden deutlich verlangsamt. Die Ursachen dieser Stagnation sind zu hinterfragen, ansonsten nicht die richtigen Schlussfolgerungen für die künftige Strategie gezogen werden können.

Als Ursachen für die Stagnationstendenzen beim Emissionsabbau lassen sich identifizieren:

  • Der Heizölverbrauch hat sich nach einem deutlichen Rückgang im Zeitraum 2000/2005 bis 2012 in den Jahren seither mäßig verringert; 
  • Dies ist wohl in erster Linie dem Fernwärme-Boom in den Jahren etwa 2000 – 2010/15 zuzuschreiben, in dem eine hohe Zahl an zentralen Ölheizungsanlagen in Geschoßbauten durch Fernwärmeanschlüsse ersetzt wurden; 
  • während sich danach der Schwerpunkt der Fernwärmeanschlüsse auf den Neubau verlagerte – zum Teil bedingt durch die starke Neubautätigkeit, zum Teil aber auch durch Kapazitätsgrenzen in der Fernwärmeerzeugung. 
  • Im Eigenheimsektor hingegen war der Ersatz von fossilen Heizsystemen eher – gleichmäßig – schwach ausgeprägt und hat allenfalls in den letzten Jahren leicht zugenommen. In diesem Sektor ist aber auch ein Effekt durch einen quasi-natürlicher Abgang nach „Außerbetriebnahme“ von älteren Häusern zu vermerken. 
  • Status Quo und Potential für künftige Einsparungen – Lösungsansätze

Von den aktuell knapp 4 Mio. Hauptwohnsitzen sind damit rd. 1,3 Mio des “schlechten Bestandes” thermisch unsaniert (davon 0,3 Mio aus der Gründerzeit), rd. 1,76 Mio sind aus fossilen Quellen bzw. Strom beheizt (davon Öl: rd. 510.000; Gas 1.000.000 Whg/Häuser). Die Schnittmengen aus den Potentialen müssen durch weitere Analysen identifiziert werden. Wesentlich ist, dass diese 1,76 Mio fossil beheizten Wohnungen/Einfamilienhäuser für fast 100% der durchs Heizen verursachten Emissionen verantwortlich sind.  

Während die Einfamilienhäuser der Zahl nach etwas mehr als die Hälfte der fossil beheizten Wohneinheiten (Hauptwohnsitze) ausmachen, sind sie aufgrund des höheren Energieverbrauchs wegen ihrer Bauweise und höheren Wohnfläche für rd 70 – 75 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich.  

Zur Abschätzung des künftigen Potentials an Energieeinsparungen bzw. Emissionsreduktion sind einzelne Wohnformen im Detail auf Sanierbarkeit zu hinterfragen.

Es kann wohl davon ausgegangen werden, dass in puncto thermischer Sanierung zum aktuellen Zeitpunkt eher „schwierige Fälle“ verblieben sind. Das unsanierte Potential umfasst nach eigenen Berechnungen rd. 1,3 Millionen Wohnungen mit einem geschätzten jährlichen Heizenergieverbrauch von 20 – 25 Milliarden Kilowattstunden, von denen etwa 7 – 8 Milliarden durch thermische Verbesserungsmaßnahmen einzusparen wären – das entspricht etwa 15 Prozent des aktuellen Verbrauchs. Allerdings: darunter ist ein hoher Anteil an Wohneinheiten, wo Sanierungsmaßnahmen bis heute schlechter gegriffen haben als in anderen Segmenten, etwa Wohnungen und Häuser der Bauperioden vor 1919 bzw. 1919-1945. Dafür fehlen zum Teil auch technische Lösungen für die Fassadendämmung. Zur Durchsetzung von eher niedrigschwelligen Maßnahmen bedarf es wohl gewisser Druckmittel – etwa in Analogie zum verpflichtenden Aufzugseinbau im Falle von Dachbodenausbauten in Mehrfamilienhäusern. Hier ist in den vergangenen Jahren schon ein gewisses Potential liegen gelassen worden. Dieses Druckmittel fehlt im Segment der Einfamilienhäuser, wo das größere „theoretische“ Potential liegt. 

Dazu kommt noch der Aspekt, dass, wie anhand der Trends vergangener Jahre gezeigt, die Effekte der thermischen Sanierung eher der Komfortsteigerung dienen als der Energieeinsparung. Und schließlich: selbst bei Reduktion des Energieverbrauchs können die Emissionen nur zu einem entsprechenden Anteil reduziert werden, wenn die Heizsysteme bzw. Energiequellen nicht umgestellt werden.    

Quellen: Statistik Austria Energieverbrauch der Haushalte, EU SILC, eigenes Modell

Der Focus der klima- und energiepolitischen Strategie muss daher auf den Ersatz der fossilen Energieträger im vorhandenen Gebäudebestand und Beschränkung auf erneuerbare Energiequellen und Umgebungswärme im Neubau gelegt werden. Allerdings gilt für den Bestand ebenfalls, dass eher „schwierige“ Fälle verblieben sind.

Die Lösungen müssen dabei in Zusammenspiel von Suche nach technischen Lösungen, Energieraumplanung, aber auch wohnrechtlichen/institutionellen Anpassungen gesucht werden, wobei vermutlich auch einige Tabus gebrochen werden müssen.

Im Geschoßwohnbau ergeben sich zwar in vielen Aspekten günstigere Voraussetzungen, allerdings besteht hier mit den vorhandenen Gasthermen eine Problemzone, wo in technischer, aber auch wohnrechtlicher Hinsicht vieles noch offen ist, wobei auch zu bedenken ist, dass v.a. im privaten Altbestand der Einbau der Heizungen oft durch die Mieter erfolgt ist. Rd. 400.000 Geschoßbauwohnungen sind damit ausgestattet (darunter etwa 60.000 – 65.000 bei GBVs; das Gros findet sich im privaten gründerzeitlichen Bestand, was mit einem hohen Anteil Wiens korrespondiert; Daten für das Jahr 2020).

Im Eigenheimsektor sind hinsichtlich der Umrüstung der Heizsysteme zwar günstigere Voraussetzungen gegeben, allerdings sind bei der Durchführung v.a. aufgrund der Eigentümerstruktur Schranken gegeben – man denke etwa nur an die fehlenden Anreize allein aufgrund des Alters der HauseigentümerInnen. 

Zu berücksichtigen ist auch, dass mit den Sanierungsmaßnahmen soziale und verteilungspolitische Fragen verbunden, die einen Stadt-Land- Bezug bzw. eine aufweisen, bzw. BewohnerInnen von Geschoßbauten (überwiegend MieterInnen) anders treffen als EigenheimbesitzerInnen.

  • Zum gemeinnützigen Wohnungsbau

Die Mietbauten der GBVs weisen die höchste Quote an thermisch sanierten Wohnungen (rd. 95% der Baujahre 1919 – 1980) auf, ebenso wie die höchsten Raten an ersetzten fossilen Heizungssystemen (-75% Ölheizungen und – 70% Gasheizungen seit dem Jahr 2000). Wenn aktuell die Zahl der jährlich thermisch sanierten Wohnungen zurückgeht, ebenso wie die Zahl der Heizungsumstellungen, so liegt das daran, dass in der Sanierung zuletzt die Bauten der 1980er Jahren anstanden – und das waren Jahre mit einer relativ geringen Bautätigkeit. Bei der Heizungserneuerung ist das Potential zum größten Teil erschöpft bzw. fehlen noch umsetzbare Alternativen.

Verblieben sind rd. 10.000 mit Öl beheizte Wohnungen (überwiegend Haus-Zentralheizungen), rd. 30.000 mit Stromheizungen ausgestattete Wohnungen sowie rd. 100.000 Wohnungen, die mit Gas beheizt werden; bei Letzteren handelt es sich überwiegend um Wohnungs-Zentralheizungen (“Gasetagenheizung”) mit rd. 65.000 Wohnungen (Wert für 2019; Daten im Diagramm 2017). Für Letztere wurde durch gemeinnützige Bauvereinigungen zuletzt ein Weg aufgezeigt, wie durch Ersatz von Einzelthermen durch ein zentrales System zumindest eine Voraussetzung für den Umstieg auf ein klimafreundlicheres geschaffen werden kann.

Im Neubau sind die gemeinnützigen Bauvereinigungen in der Rolle der Vorreiter beim Einsatz von neuen Technologien sowohl in der Gebäude- als auch in der Heizungstechnik. Zahlreiche in diversen Forschungsprogrammen dokumentierte Projekte zeugen davon.  

Im Neubau dominieren Bauten auf Niedrigstenergieniveau mit Anschlüssen an die Fernwärme, allerdings sind bei mangelnder Verfügbarkeit von Fernwärme Gasheizungen noch immer vertreten. Wärmepumpensysteme kommen verstärkt zum Einsatz. 

Quellen: Statistik Austria EU-SILC, Mikrozensus

  • Green Deal – das Angebot des gemeinnützigen Wohnbaus

Das Potential, das die gemeinnützige Wohnungswirtschaft zum Abbau der Emissionen beitragen kann, ist wegen des intensiven Sanierungsgeschehens in der Vergangenheit relativ gering: Bei einem Anteil von rd. 16 Prozent an allen Hauptwohnsitzen sind lediglich 4 – 5 Prozent der durch Haushalte verursachten Treibhausgase den GBV-Mietwohnungen zuzurechnen. Sowohl im Neubau als auch in der Sanierung werden gemeinnützige Bauvereinigungen aber weiterhin ihrer Vorreiterrolle nachkommen und auf bau- und energietechnischer Seite zum Innovationsgeschehen beitragen und auch in institutioneller Hinsicht (v.a. in der Frage Contracting vs. Bereitstellung durch Gebäudeeigentümer; Betrieb der innovativen Systeme) an der Optimierung der Lösungsansätze arbeiten.

  • Green New Deal – politische Forderungen

Österreich steht in klimapolitischen Belangen vor großen Herausforderungen. Einige Maßnahmen sind in Vorbereitung bzw. Umsetzung. Im Rahmen der im Regierungsprogramm vorgesehenen „Wärmestrategie“ ist ein Phase-Out für Ölheizungen bis zum Jahr 2035 geplant, gesetzlich bzw. förderungstechnisch aber noch nicht umgesetzt. Eine CO2-Bepreisung soll mit der letzten Steuerreform ab Mitte 2022 in Kraft treten.

Aus Sicht der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft sind diese Maßnahmen wie folgt zu beurteilen:

  • Steuerreform – CO2-Bepreisung mit „Klimabonus“:

Vorgesehen ist eine Steuer auf fossile Energieträger in Höhe von 30 € je Tonne CO2 im ersten Jahr bis 55 € bis zum Jahr 2025. Dem gegenüber soll eine Entlastung für die SteuerzahlerInnen in Höhe eines regional gestaffelten „Ökobonus“ in Höhe von 100 – 200 € jährlich für jede erwachsene Person plus der Hälfte des Betrages für jedes Kind unter 18 gezahlt werden.

Positiv an diesem Modell ist zu bewerten:

  • Dass die Einnahmen aus der Besteuerung nicht zur Finanzierung der klimapolitischen Maßnahmen eingesetzt werden sollen, sondern an die Haushalte mit einer Bonus-Malus-Wirkung quasi rückverteilt werden. Ein Einsatz der Mittel in der Sanierung würde eine starke Umverteilung von Haushalten in (städtischen) Geschoßwohnbauten zu BewohnerInnen von Einfamilienhäusern bedeuten;  
  • Dass ein erster Schritt in Richtung Lenkungsmaßnahmen gesetzt ist.

Nachteile bzw. Optimierungsbedarf sind hingegen in Hinblick auf folgende Aspekte gegeben:

  • Zu Beginn übersteigen nach eigenen Berechnungen die Ausgaben für den Bonus die erwartbaren Einnahmen aus der Steuer – ein Lenkungseffekt ist daher in Zweifel zu ziehen;
  • Durch die Zusammenfassung von Bonus-Malus für Haushaltsenergie und Mobilität (Kraftstoff) resultieren Ineffizienzen in Bezug auf das Lenkungsziel; so mag eine regionale Differenzierung für den Bereich Mobilität angemessen sein, für den Bereich Haushaltsenergie ist es das nicht:
  • Selbst in der höchsten vorgesehen Preisstufe (ab 2025 55 €/Tonne CO2) wäre ein 4-Personen-Haushalt in einer 110m2 großen, schlecht isolierten und mit Gas beheizten Wohnung in Zone C (z.B. Amstetten, Villach) selbst bei (überdurchschnittlichen) 25.000km PKW-Nutzung noch leicht im Bonus, während eine Wiener Familie unter denselben Wohnbedingungen auch ohne PKW-Nutzung schon im Malus wäre.
  • Durch das personenbezogene Berechnungsmodell sind kleine Haushalte eindeutig benachteiligt, da die „Haushalts-Energie-Logik“ nicht mit der vorgesehenen Personenstaffel konform geht: die zusätzlich in Anspruch genommene Wohnfläche – und damit weitgehend der Haushalts-Energieverbrauch – steigt nicht linear mit der Haushaltsgröße.
  • Daher: Trennung von Steuer-Bonus System zwischen Haushaltsenergie und Mobilität; im Bereich Haushaltsenergie Einführung eines personenbezogenen degressiven Staffelmodells.
  • Für Haushalte in Mietwohnungen wäre zu überlegen, sowohl Bonus als auch Malus zu reduzieren, da diese Haushalte über den eigenen Energieverbrauch hinaus wenig Handlungsspielraum in der Energieversorgung haben.
    Allerdings muss in diesem Fall bewusst sein, dass ein derartiges System mit einem höheren administrativen Aufwand verbunden wäre. 
  • Wärmestrategie – Phasing Out Ölheizungen

Der „Knackpunkt“ des Phasing Out wird weniger in der Finanzierbarkeit liegen als an der effektiven Umsetzung. Der Ersatz von rd. 410.000 Ölheizungen in 15 Jahren (für Wohnungen im Geschoßbau wurde eine Größe von 10 Wohnungen pro Heizkessel angenommen) würde pro Jahr eine Reduktion von rd. 26.000 Heizungen erfordern, derzeit liegt diese Zahl bei etwa 10.000 pro Jahr, wobei sich dies etwa 1:1 auf Ersatz und Abgang verteilt. Berechnet man für die zusätzlichen rd. 16.000 Heizungen jährlich einen Zuschuss von je 5.000 Euro („Scheckmodell“), so wären dafür jährlich zusätzlich rd. 80 – 90 Mio Euro p.a. erforderlich. Zum Vergleich: in den letzten beiden Jahren wurden für Sanierungsförderungen der Länder und Bundesförderung „Scheck-Raus-aus-dem Öl“ zusammen jeweils rd. 530 Mio € ausgegeben; in den Boomjahren 2009 – 2014 waren es rd. 770 Mio pro Jahr. 
Das laufende Jahr wird zeigen, wie elastisch die Nachfrage nach Heizungsumstellungen auf die durch das Umweltministerium vorgenommene Erhöhung der Förderungsmittel (400 Mio für Kesseltausch 2021/22) reagiert. Danach wird zu evaluieren sein, ob die finanziellen Anreize ausreichen; nach vorläufiger Einschätzung wird das eher nicht der Fall sein! 

Es wird daher erforderlich sein, zusätzliche Begleitmaßnahmen regulatorischer Natur zu setzen – etwa Beschränkungen bei der Veräußerung/Übergabe von Einfamilienhäusern mit Ölheizungen, bzw. die Subventionen nach zusätzlichen Kriterien (etwa alters- und einkommensabhängig) zu staffeln.

  • Förderung thermische Sanierung
    Hier sollte die wenig sinnvolle Diskussion um die optimale „Sanierungsrate“ abgelöst werden durch eine realistische und differenzierte Betrachtung der betroffenen Wohnungsbestände. Maßnahmen der thermischen Sanierung sollten abgestimmt auf die bestehenden Heizungssysteme bzw. in Hinblick auf die Umrüstungsmöglichkeiten erfolgen. Förderungen im Geschoßbau, wo keine technischen Alternativen für die Heizungsumstellung gegeben sind, wären zu forcieren/stärker zu fördern. Wo hingegen eine Heizungsumstellung möglich ist, sollten thermische Maßnahmen nur in Zusammenhang damit gefördert werden.
  • Förderungen Geschoßwohnbau – Einfamilienhäuser
    Unter Bedachtnahme darauf, dass sich im Geschoßbau die tendenziell finanziell schwächeren Haushalte befinden, dort durch die verdichtete Bauweise selbst in „schlechten“ Bauten eine klimaschonendere Wohnform gegeben ist, auf der anderen Seite aber mietrechtliche Hemmnisse bestehen, sollten Förderungen ausreichend gewährt werden – sowohl auf der Objektseite als auch durch Beihilfen. Insgesamt erfordert dieses Segment deutlich weniger an Mitteln als der Einfamilienhaussektor.  
  • Green New Deal – verbandspolitische Forderungen

Im Sinne eines klimaneutralen Gebäudebestandes 2040 wird für die gemeinnützige Wohnungswirtschaft folgende Zielvereinbarung vorgeschlagen:

  1. Die Erstellung eines Code of Conduct „Klimawende 2040 der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft“ inklusive Etablierung einer Roadmap, 
  2. Einleitung eines Screening- und Kategorisierungsprozesses zur Systematisierung des vorhandenen breiten Know-hows im GBV-Sektor zur technologischen Umsetzung der Energiewende und
  3. Erarbeitung eines Handlungs- und Praxisleitfadens für die Unternehmen,
  4. Etablierung einer Kompetenz- und Beratungsstelle „Energie und Klima“ für die gemeinnützigen Wohnungsunternehmen auf Ebene des Verbandes.
  5. Jährlicher Bericht zur Klimastrategie der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft über den Umsetzungsstand der Klimawende vorzulegen.

[i] KSB 2021; S. 146.Für das Jahr 2020 wird mit einem ganz leichter Rückgang im Gebäudesektor gerechnet.

[ii] Vgl. dazu die jährlichen Darstellungen in den Klimaschutzberichten des Umweltbundesamtes; zuletzt Klimaschutzbericht 2021; Seite 159f

[iii] Datenbasis: Statistik Austria, Wohnungszählung 1991 und Statistik Austria EU-SILC 2019 bzw. Energiestatistik Haushalte des Mikrozensus 2017/18

[iv] Vgl. etwa: Energieeffizienz und Wirtschaftlichkeit; Österreichischer Verband gemeinnütziger Bauvereinigungen 2013, Verfasserin Eva Bauer. Dort wird gezeigt, dass die durch Maßnahmen thermischer Sanierung erreichten Einsparungen beim – gemessenen – Energieverbrauch gegeben sind, allerdings nicht im erwartbaren „theoretisch“ berechnetem Ausmaß. 

[v] So könnte nach Berechnungen der Verfasserin etwa die statistische Nicht-Berücksichtigung der in den letzten Jahren stark gestiegenen Zahl an Neben-Wohnsitzen von Personen ohne Hauptwohnsitz in Österreich eine Überschätzung des Energieverbrauchs pro Haushalt im Ausmaß von etwa 2,5 – 5 Prozent erklären. Auch die statistische Erfassung der Wohnfläche weist Unschärfen auf; hier zeigen sich zwischen Wohnungszählungen und Mikrozensus Unterschiede im Ausmaß von bis zu 5 Quadratmetern pro durchschnittlicher Wohnung  – das ist eine doch erhebliche Differenz. Überdies wird die Energie-Statistik für die Vergangenheit laufend revidiert, sodass sich bei Betrachtung der Trends immer wieder Verschiebungen ergeben. Daneben spielt noch die modellmäßig hergestellt Zurechnung von Energieverbräuchen eine gewisse Rolle – etwa die Verteilung des Verbrauchs auf Beheizung und Warmwasseraufbereitung. 

Beitragsbild: Pexels/Markus Spiske

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